Pflegedokumentation Teil: 1
Bei einer Pflegedokumentation handelt es sich um eine Informationssammlung, welche den mit der Pflege des Klienten beschäftigten helfen soll, sich ein Bild über die Zustandsveränderungen ihrer Klienten zu verschaffen. Im Idealfall ermöglicht die Pflegedokumentation, eine mit der Pflege beginnenden oder einer aus dem Urlaub zurück kehrenden Pflegekraft, sich allein durch das Lesen der Pflegedokumentation ein Bild seines Klienten vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen.
Bei vielen in Deutschland vorliegenden Pflegedokumentationen ist dies jedoch nicht der Fall, da wesentliche Informationen, welche der Zustandsbeschreibung dienen, fehlen, die Pflegedokumentation inhaltlich nichts hergibt oder beim Abgleich vor Ort am Klienten sich ein völlig anderes als das in der Pflegedokumentation beschriebenes Bild zum Vorschein kommt.
Allgemein wird darauf hingewiesen das in der täglichen Routine mehr als 20 Prozent der Arbeitszeit einer Pflegekraft für die Pflegedokumentation anzusetzen ist. Bedeutet also das rund 2 Stunden und 40 Minuten der täglichen Arbeitszeit für die Eintragungen in der Pflegedokumentation anfallen, welche den Klienten in der täglichen Betreuung und Versorgung fehlen da Pflegekräfte sich durch Computerprogramme klicken oder handschriftliche Eintragungen vornehmen und Kürzel setzen müssen.
Über zweieinhalb Stunden täglich die nicht für die Arbeit am oder mit dem Klienten zur Verfügung stehen.
Es drängt sich die Frage auf ob eine bedarfsgerechte Dokumentation sich derart negativ auf den Pflegeprozess auswirken darf das sie ihn letztendlich in seinem Bestreben ein positives Pflegeergebnis zu erzielen eher hindert als unterstützt.
Die Pflegedokumentation wird von vielen Pflegekräften als Einschränkung und Behinderung ihrer Arbeitsprozesse sowie als verwaltungstechnischer Aufwand gesehen der einzig der Vorbereitung einer gegenüber den Leistungsträgern zu erstellenden Abrechnung dient.
Vergeuden wir also mit der uns vorgeschriebenen Pflegedokumentation Zeit welche uns letzt endlich für die Betreuung und Pflege unserer Klienten fehlt?
Schaut man sich eine Pflegedokumentation im Detail an so verfügt sie in der Regel über folgende Inhalte:
- Grundinformationen über den Klienten zu Name, Alter, Geschlecht, Angehörige, behandelndem Arzt, Krankenversicherung sowie vorliegender Krankheiten
- einmalig angelegt, werden diese Daten nur angefasst wenn sich Veränderungen ergeben
Pflegeanamnese:
- Beschreibung des Zustandes bei Aufnahme oder Einzug des Klienten innerhalb der ersten 48 Stunden
- Informationssammlung zu Ressourcen und Problemen des Klienten
- Grundlage für die zu erstellende Pflegeplanung
- Eigen- und Fremdanamnese um einen Abgleich der zur Verfügung gestellten Informationen zu erhalten oder um Lücken zu füllen
- wird in der Regel anschließend nicht mehr angefasst
Biografieblatt:
- lässt sich nicht in Form eines geführten Interviews erstellen
- ein sich entwickelndes Blatt, das von der sich entwickelnden Beziehung zwischen Pflegekraft und Klient lebt
- kann, wenn keine Auskünfte zur Biografie gegeben werden, aus gegebenem Anlass unausgefüllt in der Akte verbleiben
In einigen Krankenhäusern Berlins, darunter auch ein auf die geriatrische Versorgung spezialisiertes, ist mitunter keine Auskunft über das Gewicht eines dort zur Behandlung liegenden in Erfahrung zu bringen.
Ein Umstand der sich negativ auf die Beurteilung einer Gewichtsentwicklung auswirkt da hierzu keine fundierten Aussagen getroffen werden können, so dass Ernährungsassessments nicht zu Einsatz kommen oder erst zu spät auffallende Malnutritionen halbherzig mit angebotener Trinknahrung ausgeglichen werden sollen.
Medizinische wie pflegerische Therapien können auf Grund der Tatsache das man mit ungefähren, nicht jedoch mit erhobenen, belastbaren Werten arbeitet das zu erreichende Ergebnis negativ beeinflussen.
Eine auf Grund ungefährer, geschätzter Werte eingestellte Anti-Dekubitusmatratze wird ihren Prozess genau so abspulen wie man es von ihr erwartet. Das Ziel, eine Druckentlastung zu erreichen um den auf dieser Matratze liegenden Menschen vor der Entstehung eines Dekubitalgeschwüres zu schützen, lässt sich auf diese Art jedoch nicht realisieren.
In beiden Fällen entsteht ein ins Leere laufender Aktionismus der von Anbeginn hätte vermieden werden können würden die Basics der für eine am Ergebnis orientierten Pflege notwendigen Daten gesammelt worden wären.
Die dafür notwendigen Hilfsmittel – Bettwaagen, Lifterwaagen, Sitzwaagen – werden seitens der Industrie in unterschiedlichen Varianten angeboten, müssen entsprechend angeschafft und eingesetzt werden.
Sollte die zu versorgende Klientel sich in einer Situation befinden welche die oben genannten Hilfsmittel nicht zum Einsatz kommen lassen, so sehen bestehende Ernährungsassessments non-invasive Alternativen für die Erhebung ernährungsrelevanter Basisdaten vor, wie sie mit der Messung des Oberarmumfanges oder dem Einsatz eines Caliper zur Hautfaltenmessung ermittelt werden können.
Zur Biografie eines Menschen etwas beitragen zu können bedeutet auch dem Menschen Zeit einzuräumen, um diese seine Lebensgeschichte erzählen zu können, in der Gewissheit das der ihm gegenüber sitzende oder sich mit ihm beschäftigende auch zu hört und die ihm gegebenen Informationen in diese Pflege integriert.
In vielen Einrichtungen der stationären Altenpflege sind zur Unterstützung der Orientierung der Bewohner Bilder an deren Zimmertüren angebracht.
Befragt man die dort lebenden Bewohner zu den an ihren Türen angebrachten Hunden, Katzen oder Schäfchen welchen Bezug sie zu diesen Tieren haben oder welche Rolle diese in ihrem Leben spielten, so erfährt man von einigen das diese ja ganz niedlich seien, sie jedoch nie einen Hund oder eine Katze hatten.
Orientierungshilfen welche keinen Bezug zu der Biografie eines Menschen aufweisen erfordern einen Lern- oder Gewöhnungsprozess zu dem viele der uns anvertrauten Menschen kaum mehr in der Lage sind.
Die Resultate solcher falsch oder am Bedarf vorbei zielender Orientierungshilfen finden sich in mitunter den Flur auf und ab gehender, auf der Suche nach etwas gewohntem Ausschau haltender, Klienten.
Im nächsten Teil der Serie zur Pflegedokumentation geht es um:
- Bogen für ärztliche Anordnungen und Behandlungen
- Medikamentenplan